Ich hatte mal eine Arbeitskollegin. Susanne war eine der wenigen im Büro mit Kind. Sie wirkte eigentlich sehr organisiert, wusste immer, was auf ihrem Schreibtisch lag und versuchte alles sehr penibel abzuarbeiten. Doch war sie mal nicht da und man suchte etwas auf ihrem Schreibtisch, fielen einem haupsächlich viele, viele nur angefangene Vorgänge in die Hände. Susanne war trotz Halbtagsjob dauerhaft gestresst, nervös und wenn der Arbeitsalltag mal vom Schema F abwich, musste man stets Angst haben, dass sie kurz vorm Durchdrehen war. Viele Kollegen rollten mit den Augen, wenn sie sich mal wieder von einer klitzekleinen Kleinigkeit aus der Ruhe bringen ließ.
Seit einigen Monaten muss ich immer wieder an Susanne denken. Nach fast fünf Jahren mit viel Familie und wenig Job bekomme ich irgendwie nix mehr gebacken. Mehr als zwei Termine am Tag stressen mich. Ich bin unfähig darin geworden, eine Sache von Anfang bis zum Ende durchzuziehen, ohne mich ständig ablenken zu lassen. Meine Konzentrationsfähigkeit ist so unterirdisch, dass mir nicht mal etwas zum Vergleich einfällt. Dabei dachte ich doch, wenn beide Kinder in der Kita sind, würde hier so richtig die Post abgehen und ich könnte ToDo-Listen im Akkord abhaken. Stattdessen war ich die ersten zwei Monate fast jeden Tag enttäuscht von mir selbst, weil ich mich nur im Kreis drehte.
Meine Kinder haben mich kaputt gemacht.
Diesen Gedanken habe ich tatsächlich in den ersten Wochen mit mir herumgetragen. Als wäre mein Kopf ein verwirrtes Wollknäuel, das erst einmal auseinander getüddelt und neu aufgerollt werden muss, brauchte ich lange um herauszufinden, wo genau die Probleme liegen. Ungefähr genauso lange dauerte es dann nochmal zu begreifen, dass es tatsächlich Lösungen gibt und ich mich meinem traurigen Schicksal nicht einfach hingeben muss.
Ich komme mir echt blöd vor, die letzten Monate als anstrengend zu betiteln, wo ich doch aus der Ferne betrachtet den Luxus von Freizeit genießen darf, während meine Kinder betreut werden. Doch in meinem Kopf war alles andere als Freizeit angesagt. Dass die Rückkehr in den Alltag mit Job und Kindern mir so schwer fallen würde, hatte ich nicht geahnt.
Die größten Probleme dabei?
Ich bin die Einzige, die weiß wie es läuft
In den vergangenen Jahren habe ich erfolgreich ALLES, was auch nur ansatzweise mit dem Thema Familie zu tun hat, an mich gerissen. Arzttermine, Fahrdienst, Geschenke, alles rund um den Kindergarten, Kurse für die Kinder, Geburtstagsfeiern, kranke Kinder, nicht schlafen wollende Kinder, Verabredungen, Ausflüge, Essensplanung, Einkauf und einen Großteil der Hausarbeit…
Versuche ich all das wirklich grad nebenbei zu erledigen, während ich eigentlich am Schreibtisch sitzen und was schaffen wollte? Oder umgekehrt: Glaube ich wirklich nebenbei die Zeit für einen beruflichen Neuanfang zu finden? Seitdem ich einiges wieder an papAhoi abgegeben und wir meine Zeit von 9-12.30 zu echter Arbeitszeit erklärt haben, ist auch wieder Platz für andere Dinge in meinem Kopf. Das Einzige, was dazu nötig war: Ich musste einfach mal was sagen.
Ich armes Ding – Mama badet in Selbstmitleid
Zwischendurch fand ich diese ganze Neuorientierung auch immer wieder richtig fies und gemein. ICH, IMMER ICH. Ich habe mich für die Familie angepasst, ich habe jahrelang auf alles Mögliche verzichtet und IHN dabei unterstützt Karierre zu machen. Und nun muss ICH das Rad für mich neu erfinden und soll mit all den Einschränkungen auch noch einen beruflichen Platz finden, an dem ich mich wohl fühle? Oder mich einfach mit irgendeinem Kackjob zufrieden geben, weil nur der in unseren Alltag passt? Mein Selbstmitleid war manchmal bestimmt kaum auszuhalten. Ja, es ist blöd, dass ich mich nun so anstrengen muss, während für den Rest der Familie scheinbar alles läuft wie bisher. Doch auch hier hat es geholfen, dem Mann zu erklären, wie schwer mir das alles fällt und dass ich dringend seine mentale Unterstützung und Motivation benötige, um das irgendwie auf die Reihe zu bekomme.
Prioritäten setzen und umsetzen – ohne schlechtes Gewissen
Die Ruhe genießen, endlich für eine saubere und aufgeräumte Bude sorgen, den Wocheneinkauf ohne Kinder erledigen, zum Sport gehen, mir einen neuen Job suchen oder doch einen Businessplan schreiben, aufgeschobene Arzttermine nachholen, den Blog auf Vordermann bringen, angefangene Projekte beenden, ausmisten, endlich den Garten anlegen. Wieder zu mir selbst finden. Und überhaupt: bis der neue Job da ist, muss ich noch all das nachholen, was ich in den letzten Jahren so verpasst haben. Fortbilden, damit ich für den Traumjob (den ich noch gar nicht kenne) auch bereit bin, muss aber auch sein. Natürlich alles auf einmal. In der Zeit von 9-13 Uhr. Warum, verdammte Axt, klappt das denn nur nicht?
Ein paar Dinge zu ändern, hat schon gereicht um mir etwas mehr Freiraum zu verschaffen.
- Einmal in der Woche gehe ich wieder zum Pilates. Vormittags, wenn die Kinder in der Kita sind und ohne schlechtes Gewissen. Es tut mir so gut und deshalb ist es nicht einfach nur eine Option, sondern ein fester Termin in meinem Kalender.
- Auch wenn ich keine festen Termine habe und meine Kinder echte Trödelliesen und Morgenmuffel sind: Unter der Woche gibts seit kurzem einen klaren Ablauf – wenn möglich ohne Spielzeit und ohne schlechtes Gewissen von mir. Anziehen, frühstücken, Zähne putzen, Haare machen und los. Ich versuche morgens bereits fertig zu sein, wenn der Rest der Familie in den Tag startet. Das gibt mir die Möglichkeit, ein paar Minuten Ruhe zu genießen, bevor der Trubel losgeht und es läuft deutlich entspannter, wenn ich danach in Ruhe dafür sorgen kann, dass vor allem Smarti in die Puschen kommt.
- Smarti geht seit kurzem auch regelmäßig in die Nachmittagsgruppe der Kita. Bisher hab ich sie meist spontan entscheiden lassen, ob sie schon mit Karli nach dem Mittagessen mitkommen möchte. Smarti hat sich schnell an die neue Regelung gewöhnt und freut sich sogar, wenn sie manchmal zu den letzten Kindern gehört, die abgeholt werden. Die festen gemeinsamen Nachmittage genießen wir seitdem tatsächlich umso mehr. Vor allem wahrscheinlich, weil ich dann nicht nur körperlich sondern auch mental anwesend bin. Was für eine Erleichterung für mein Gewissen.
Blick über den Tellerrand? Ausnahmsweise NEIN!
Wie viele Mütter neige ich dazu, mich ständig mit anderen zu verlgeichen.
Mama X bekommt das aber auch hin, Y meckert überhaupt nicht rum und der geht es eigentlich viel schlechter. Und Z rollt immer mit den Augen, weil ich auf so hohem Niveau vor mich hinjammere. Sie hat Recht. Eigentlch hab ich gar keine „echten“ Probleme.
Immer wieder muss ich mir vorbeten, dass meine Probleme nicht die der anderen sind und umgekehrt. Es ist okay, dass mich nicht jeder verstehen kann. Deshalb muss ich mich noch lange nicht zusammenreißen, meine Sorgen ignorieren und so tun als wäre alles fein.
Es war wirklich ein langer Weg, bis ich wieder am Schreibtisch sitzen konnte, mittags mit den Ergebnissen zufrieden war und die Nachmittage mit den Kindern wirklich genießen konnte. Jetzt weiß ich zwar nocht nicht genau, wohin die berufliche Reise hingeht. Aber ich bin dankbar dafür, dass ich die Möglichkeit habe meine Optionen zu prüfen, mich auszuprobieren und nicht gezwungen bin, mich in ein Schema zu quetschen, das mir nicht passt. Mit dem verknoteten Wollknäuel im Kopf wäre das wohl nicht möglich gewesen.
Musstet ihr euch auch beruflich verändern nach der Elternzeit? Konntet ihr einfach in euren alten Job zurück, habt evt. Stunden reduziert, aber sonst den gleichen Job gemacht? Wie war das für euch so? Ich würde wirklich gerne eure „Back in Job“ Geschichten lesen.
Hey du, ich hatte keine Elternzeit in dem Sinne (ich war damals noch Studentin, als meine Töchter auf die Welt kamen), aber ich kann mir echt gut vorstellen, dass es gerade nicht einfach für dich ist, beruflichen Anschluss zu finden. Vor allem im Home Office. Was hast du denn vorher gemacht? Kannst du daran anknüpfen oder willst du was ganz anderes?
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Wir sind zwischenzeitlich umgezogen und zur alten Stelle kann ich daher nicht zurück. In der gleichen Branche könnte ich bestimmt was finden, wenn ich bereit wäre auf viel Verantwortung zu verzichten und „nur“ Backoffice oder so zu machen, da ich zeitlich sehr eingeschränkt bin. Mein Mann ist oft auf Dienstreise und kann die Kinder nicht zur Kita bringen oder abholen. Von 9-13 Uhr was zu finden, was ich wirklich gut finde, ist mir bisher leider nicht gelungen. Mit Homeoffice bieten sich da schon mehr Möglichkeiten.
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Ja das stimmt. 9-13 Uhr ist auch wirklich wenig Zeit fürs Arbeiten. Da ist Homeoffice sicherlich erstmal eine gute Lösung.
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[…] habe schonmal darüber geschrieben, dass ich während meiner Elternzeiten eigentlich alles an mich gerissen habe, was mit dem Thema Familie zu tun hatte. Haushalt, Kitasuche, Termine, bliblablub. Seitdem ich […]
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