Zurück zum ICH und zu der Mama, die ich sein will

Eine der häufigsten Reaktionen auf meinen Beitrag zum ersten Lebensjahr mit einem Schreibaby war Erstaunen darüber, dass ich so versöhnlich mit diesem Thema abschließen kann. Andere Mütter berichteten mir, dass sie noch Jahre später mit Bauchschmerzen an diese Zeit zurück denken.

Doch ist das wirklich so einfach, wie es vielleicht im Artikel rüberkommt? Hab ich dieses eine Jahr ohne Spuren überstanden und kann es nun einfach abhaken? DEFINITIV NICHT!

Gerade in den letzten Wochen kommt bei uns immer wieder ein Thema auf und ich glaube, dass es stark geprägt ist durch das Jahr mit Schreikind.

Wie werde ich wieder die entspannte Mama, die ich mal war?

Schreibaby, High-Need, Mamaleben, Muttergefühle

Hätte mir vor Karlis Geburt mal jemand gesagt, dass ich mal zu den Mütter gehöre, die ihre Kinder anschreit, den hätte ich wohl ausgelacht. PapAhoi und ich streiten selten, geschweige denn, dass es dabei mal laut zugeht. Und auch wenn Smarti uns in Hochphasen der Trotzphase mal überforderte, dann passierte dies nur, wenn sie dabei einen von uns Erwachsenen komplett auf falschem Fuß erwischte. In so einem Fall konnte aber meist der andere übernehmen oder einlenken und schnell war die so geliebte und gelebte Harmonie wieder hergestellt.

Wie sehr diese Anspannung, jeden neuen Tag mit Karli „zu überstehen“, mich verändert hat, wird mir erst jetzt so richtig klar. Denn anders als früher erwischt man mich mittlerweile eigentlich immer auf falschem Fuß, sobald der Lautstärkepegel im Hause steigt oder von allen Seiten an mir gezogen und gezerrt wird. Ratet mal, wie oft das bei zwei Mamakindern der Fall ist?

Ich bin extrem empfindlich geworden und kann mich oft nicht rechtzeitig aus der Affäre ziehen, um als Mama wieder entspannt und liebevoll bei der Sache zu sein. Ich reagiere auf Geräusche wie jammern, wimmern, motzen und weinen immer schneller und mein Puls steigt bei jedem Schreien von Karli unglaublich. Leider tut sie das auch als Kleinkind noch immer häufig. Mama muss mal aufs Klo und wagt es, das Kind abzusetzen? Essen machen und erwarten, dass mal 5 Minuten auf dem Fußboden gespielt oder vom Lernturm zugeguckt wird? Kuscheln mit dem großen Kind vor den Augen der Kleinen? Dem großen Kind bei irgendetwas helfen? Glauben, dass auch Papa mal ok sei zum rumschleppen oder ins Bett bringen? Es gibt sehr häufig Terz, sobald ich nicht ganz ihr gehöre, nicht auf Augenhöhe mit ihr bin oder wir keinen Körperkontakt haben. Ist das vielleicht dieses High-Need von dem viele sprechen und das ich bisher oft nur belächelt habe? Mache ich irgend etwas grundsätzliches falsch, dass sie sich immer gleich so lautstark mitteilen und immer an mir kleben muss? Ich weiß es nicht.

Irgendwann ist mir zudem aufgefallen, dass meine Beziehung zu Smarti darunter sehr leidet. Ich war froh, wenn ich sie in der Kita abgeben konnte, ungeduldig, wenn sie meine Ohren und Nerven auch noch mit Geheule oder Widerstand belastete und wurde schnell ungnädig, wenn sie nicht kooperierte. Und selbst wenn sie ebenfalls nur vom Lärmpegel ihrer kleinen Schwester überfordert war, zeigte ich zu wenig Verständnis. Beim „gemeinsamen“ Spielen mit ihr am Nachmittag saß ich oft nur noch lustlos und stumm da und ich sehnte mich nach der Zeit, wenn die Heulboje schlief und auch Smarti endlich im Bett war. So konnte es auf keinen Fall weitergehen.

Ich will wieder gerne Mama sein und die Zeit mit meinen Kindern genießen. Doch der Weg dahin ist nicht so einfach. PapAhoi begreift erst langsam, wie ernst ich es meine, wenn ich immer und immer wieder Zeit für mich alleine fordere, weil ich diese einfach dringend benötige, um Kraft und vor allem Ruhe zu tanken. Noch viel zu selten ist dies tatsächlich möglich. Doch ein paar Wege für ein wenig mehr Entspanntheit haben wir trotzdem gefunden.

Das Thema Kochen alleine mit beiden Kindern habe ich vorerst fast aufgegeben. Entweder kochen der Mann oder ich, wenn die Kinder schlafen, wir verzichten auf eine warme Mahlzeit oder diese muss so einfach zuzubereiten sein, dass sie auch mit einem 10-Kilo-Paket auf dem Arm machbar ist.

Wenn Zeit alleine schon nicht möglich ist, dann sorgen weniger Personen aber trotzdem für etwas Entspannung. Ich freue mich daher über Verabredungen von Smarti oder einen kleinen Urlaub bei Oma&Opa. Smarti bekommt dort genau die ungeteilte Aufmerksamkeit, die ich ihr gerade viel zu selten bieten kann. Und wenn meine Sehnsucht nach meinem großen Kind besonders groß ist und wir dringend mal wieder Mama-Kind-Zeit benötigen, dann muss die Familie mal getrennte Wege gehen. Bin ich nämlich gar nicht in der Nähe, dann kann Karli auch gut mal etwas Zeit mit Papa verbringen und hat viel Spaß mit ihm.

Ab nach draußen heißt es glücklicherweise in den letzten Wochen wieder viel öfter. Ich merke förmlich, wie sehr mir das hilft, wieder gelassener zu werden. Die Stimmung mag hier drinnen noch so aufbrausend sein. Kaum sind wir vor der Tür, kann ich entweder die Lautstärke besser ertragen oder es wird tatsächlich ruhiger. Oder beides…

Ich habe mich lange versteckt und meine Überforderung wenig kund getan. Seitdem ich öfter mit anderen Eltern, meiner Mama und papAhoi darüber spreche, geht es mir wesentlich besser, denn ich erhalte viel mehr Verständnis, als ich angenommen hätte. Außerdem habe ich so ein wenig das Gefühl, dass andere nun ein wenig mit auf mich aufpassen.

Es kann nicht immer den ganzen Tag harmonisch zugehen. Kleine Kinder weinen und wüten nunmal. Oft sogar. Dies erscheint wahrscheinlich für jeden logisch. Für mich jedoch kommt dies nur sehr langsam wieder ins Bewusstsein. Die Zeiten mit einem Schreibaby kleben irgendwie doch sehr an mir und wenn ich mit all meiner Aufmerksamkeit, meiner Liebe, meinen Bemühungen, mit Ruhe und Gelassenheit nicht weiterkomme, dann fühle ich mich oft wieder genauso verletzt und hilflos wie damals und stecke den Kopf zu schnell in den Sand. Das muss ich irgendwie noch in den Griff bekommen. Doch die Erkenntnis, dass ich empfindlich geworden bin, ich Wege finden muss und ich da ein Problem habe.“ ist hoffentlich ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Mögt ihr mir von euren schwierigen Lebensphasen als Mama erzählen oder habt ihr Tipps, die euch schonmal geholfen haben?

4 Gedanken zu “Zurück zum ICH und zu der Mama, die ich sein will

  1. Danke für deinen ehrlichen Beitrag. Ich bin gerade genau in dieser Situation und froh darüber nicht alleine zu sein. Mir war auch bis gerade nicht so sehr klar das die Anspannung immer noch Nachwehen der Schreiphase sein können.
    Wie wird man dieses Gefühl wieder los ?

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    • Gute Frage. Ich habe gerade gestern mit meinem Mann über dieses Gefühl geredet. Ich kann für mich ganz klar sagen, dass es meine Gefühle verletzt, wenn meine Kinder trotz Trösten, kuscheln und Aufmerksamkeit weiter schreien. Das, gepaart mit der Hilflosigkeit ist eindeutig MEIN Problem. Irgendwas muss da passieren, damit ich das rationaler sehe und da drüber stehe. Schlauer bin ich ansonsten leider auch noch nicht.
      Ich freu mich aber sehr, wenn es hilft sich nicht so allein zu fühlen.

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  2. Ach Kerstin, vielen Dank für diesen Beitrag! Du sprichst mir förmlich aus der Seele und beim Lesen dachte ich des Öfteren „spricht sie da gerade über mich?“ 😉
    Es macht die ganze Situation zwar nicht einfacher oder schöner, aber es ist gut zu wissen, dass man nicht allein ist und wir irgendwie doch alle in einem Boot sitzen…

    Ich habe zwar kein Schreibaby, aber zwei sehr willensstarke, temperamentvolle Kinder, die min sehr viel Energie kosten. Zwischendurch habe ich immer wieder das Gefühl mich selbst zu verlieren und brauche dann dringend mal eine Auszeit und Zeit mit mir allein, damit ich die Zeit mit den Kindern dann auch wieder genießen kann und nicht so eine genervte, schnell an die Decke gehende Motzmama bin. Ich mag mich dann selbst immer nicht, aber ich bin halt auch nur ein Mensch…
    Und auch bei meinem Mann hat es gedauert, bis er verstanden hatte, dass es wichtig ist, dass ich diese Auszeiten bekomme.
    Es ist wirklich nicht einfach immer ruhig und gelassen bei allem zu bleiben und das Gleichgewicht zu halten…

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    • Ich hoffe immer noch, dass es mit dem Laufen und Sprechen etwas einfacher wird. Und danach hoffe ich wahrscheinlich, dass es nach der Trotzphase besser wird usw. 🙂
      Ich glaube wichtig ist, dass wir Mamas unsere Grenzen kenn und laut werden, wenn sie erreicht sind. Schließlich hat niemand was davon, wenn wir morgens irgendwann nicht mehr aufstehen, weil nix mehr geht.

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